Die indirekte Nutzung von SAP-Systemen in Kombination mit dem Digital Access Lizenzmodell sorgt bei vielen Unternehmen für Unsicherheiten, vor allem bei der Migration auf S/4 HANA. Es geht um Lizenzkosten, Compliance-Risiken und technische Herausforderungen. Ein detaillierter Blick auf die Hintergründe, Fallstricke und mögliche Lösungsansätze hilft, Klarheit zu schaffen und teure Überraschungen zu vermeiden.
Was ist indirekte SAP-Nutzung?
Indirekte Nutzung liegt vor, wenn Benutzer oder Anwendungen Daten in einem SAP-System erstellen, lesen oder ändern, ohne direkt über die SAP-Oberfläche zu arbeiten. Das kann etwa durch Schnittstellen zwischen SAP und Drittanbieter-Software oder durch automatisierte Prozesse geschehen. Typische Beispiele sind:
CRM-Systeme, die Kundendaten aus SAP abrufen.
Externe E-Commerce-Plattformen, die Bestellungen in SAP eintragen.
Lagerverwaltungssysteme, die Inventurdaten an SAP übermitteln.
Nach SAPs Lizenzierungsrichtlinien muss jeder Zugriff – ob direkt oder indirekt – korrekt lizenziert sein. Fehlt eine entsprechende Lizenz, drohen Vertragsverletzungen und kostspielige Nachforderungen.
Digital Access: SAPs neues Lizenzmodell
Um die Lizenzierung transparenter zu gestalten, führte SAP 2018 das dokumentenbasierte Lizenzmodell „Digital Access“ ein. Dabei unterscheidet SAP zwischen direktem menschlichen Zugriff („Human Access“) und digitalem Zugriff („Digital Access“). Für den Digital Access sind bestimmte Dokumententypen lizenzpflichtig, die während der Nutzung erstellt werden, darunter:
Verkaufsbelege
Lieferbelege
Rechnungsbelege
Materialbelege
Die Lizenzkosten richten sich nach der Anzahl der neu erstellten Dokumente – reine Lese- oder Änderungszugriffe sind lizenzfrei.
Vorteile des Modells:
Transparente Lizenzierung der indirekten Nutzung.
Wegfall von Lizenzpflichten für lesende oder aktualisierende Zugriffe.
Bessere Planbarkeit der Lizenzkosten.
Kritikpunkte:
Die Abgrenzung zwischen Dokumenttypen und Prozessen bleibt komplex.
Bestehende hybride Lizenzmodelle erschweren den Übergang zu Digital Access.
Viele Unternehmen befürchten höhere Kosten und zögern, das Modell zu übernehmen.
Herausforderungen in der Praxis
Die zentrale Herausforderung bei der indirekten Nutzung ist die fehlende Transparenz. In modernen IT-Landschaften sind SAP-Systeme oft tief in ein Netzwerk von Drittanwendungen eingebunden, und viele Unternehmen haben keinen klaren Überblick darüber, welche Systeme auf SAP zugreifen und wie viele lizenzpflichtige Dokumente dabei entstehen. Diese Intransparenz kann nicht nur zu Compliance-Problemen führen, sondern auch dazu, dass Lizenzkosten falsch eingeschätzt werden.
Ein weiteres Problem ist die technische Komplexität. Gerade in produzierenden Unternehmen, die eine Vielzahl von Maschinen, Sensoren und ERP-Systemen integriert haben, ist es schwierig, die Datenflüsse eindeutig zuzuordnen. Zudem sind hybride Lizenzmodelle, bei denen verschiedene Ansätze kombiniert werden, in vielen bestehenden Verträgen üblich. Diese erschweren den Wechsel zu Digital Access zusätzlich.
1. Fehlende Transparenz: Viele Unternehmen wissen nicht genau, wie viele Dokumente ihre Systeme tatsächlich erzeugen. Insbesondere in heterogenen IT-Landschaften mit zahlreichen Schnittstellen ist es schwierig, den Umfang der Nutzung zu analysieren.
2. Komplexität der IT-Landschaft: Schnittstellen zwischen SAP und Drittanbietern sind oft individuell entwickelt und nicht immer ausreichend dokumentiert. Dadurch fehlen klare Informationen darüber, welche Anwendungen auf das SAP-System zugreifen und welche Lizenzen erforderlich sind.
3. Geringe Akzeptanz des neuen Modells: Laut Berichten nutzen viele Unternehmen weiterhin das alte Lizenzmodell oder hybride Ansätze, da sie Digital Access als undurchsichtig oder riskant empfinden.
Lösungswege: So schaffen Unternehmen Transparenz und Sicherheit
1. Schnittstellenanalyse durchführen: Unternehmen sollten ihre IT-Infrastruktur überprüfen und alle Anwendungen identifizieren, die Daten mit dem SAP-System austauschen. Hilfreich ist eine systematische Dokumentation aller Datenflüsse.
2. Monitoring-Tools einsetzen: Spezielle Softwarelösungen können die Nutzung von SAP-Systemen analysieren, den Datenverkehr überwachen und die Anzahl lizenzpflichtiger Dokumente ermitteln. Diese Tools schaffen eine solide Grundlage für Verhandlungen mit SAP.
3. Beratung durch Experten: Externe Spezialisten können dabei helfen, Lizenzrisiken zu bewerten, Prozesse zu optimieren und geeignete Vertragsmodelle auszuwählen. Sie unterstützen auch bei Verhandlungen mit SAP, um die besten Konditionen zu erzielen.
4. Proaktive Kommunikation mit SAP: Unternehmen sollten aktiv auf SAP oder ihren Realisierungspartner zugehen, um ihre Lizenzanforderungen zu klären und Lösungen zu finden, bevor es zu einem Audit kommt. So lassen sich Überraschungen und Konflikte vermeiden.
5. Schulungen durchführen: IT- und Einkaufsabteilungen sollten geschult werden, um die Regeln zur indirekten Nutzung und zu Digital Access zu verstehen und Lizenzverletzungen zu vermeiden.
Fazit: Vorbereitung ist alles
Die indirekte Nutzung und das Lizenzmodell Digital Access stellen Unternehmen vor Herausforderungen, bieten aber auch Chancen, wenn sie strategisch angegangen werden. Transparenz, Monitoring und proaktives Handeln sind entscheidend, um Risiken zu minimieren und Lizenzkosten zu optimieren. Eine fundierte Beratung und eine offene Kommunikation mit SAP sind dabei unerlässlich, um langfristig auf der sicheren Seite zu sein.
Unternehmen sollten diese Gelegenheit nutzen, um ihre IT- und Lizenzstrategie zukunftssicher zu gestalten – und sich somit teure Überraschungen und Konflikte zu ersparen.